"Früher sterben mit Butter" Warum ein Doktortitel diese Aussage auch nicht korrekter macht.
- Ozan Tas
- 1. Apr.
- 4 Min. Lesezeit
Warum nicht die Butter das Problem ist – sondern der Kontext, in dem wir essen

In den sozialen Medien kursieren immer wieder Aussagen wie „Butter macht krank“ oder jüngst zugespitzt: „Früher sterben mit Butter.“ Die Aussage stammt aus einem Posting von Prof. Dr. Smollich, das sich auf aktuelle Daten aus der Nurses’ Health Study (NHS) und der Health Professionals Follow-up Study (HPFS) bezieht – zwei der größten Langzeit-Ernährungsstudien weltweit.

Doch wie aussagekräftig sind diese Daten wirklich? Und vor allem: Ist Butter tatsächlich ein Risikofaktor – oder sind es die Lebensumstände derer, die viel davon konsumieren? Dieser Artikel zeigt, warum es falsch wäre, einzelne Lebensmittel zu dämonisieren, und was wir aus der Forschung wirklich ableiten können.
Die Studie: Butter vs. pflanzliche Öle?
Die zitierte Studie basiert auf über 220.000 Teilnehmer:innen und bis zu 33 Jahren Nachbeobachtung. Das Ergebnis:
Personen mit höherem Butterkonsum hatten ein leicht erhöhtes Risiko für Gesamt- und Krebsmortalität.
Personen mit höherem Konsum pflanzlicher Öle – insbesondere Raps-, Soja- und Olivenöl – hatten ein geringeres Risiko.
Auf den ersten Blick scheint das eine klare Sache zu sein: Butter ungesund, Pflanzenöl gesund. Doch dieser Schluss greift zu kurz – denn wie so oft steckt die Komplexität im Detail.
Was wurde wirklich untersucht?
Zunächst muss man sich bewusst machen, dass es sich um Beobachtungsstudien handelt – also keine kontrollierten Experimente, sondern Datensammlungen über viele Jahre. Die Ernährung wurde per Fragebogen (FFQ) alle vier Jahre erfasst, ebenso wie Gewicht, Bewegung, Medikamente und Krankheitsdiagnosen.
Was unter „Butter“ fiel, war nicht einheitlich:
klassische Butter
streichfähige Butter (mit Pflanzenölen gemischt)
Butter in Backwaren und beim Kochen
Das Gleiche gilt für die „Pflanzenöl“-Gruppe: Hier wurden verschiedene Öle (z. B. Oliven-, Soja-, Raps-, Maisöl) zusammengefasst – mit teils sehr unterschiedlichen Fettsäureprofilen.
Das bedeutet: Die Aussage „Butter wurde mit Pflanzenöl verglichen“ stimmt nur grob – und berücksichtigt nicht, wie genau, wie viel und in welchem Kontext diese Fette konsumiert wurden.
Die entscheidende Variable: Der Lebensstil
Ein genauer Blick in die Studiendaten zeigt:
Personen mit hohem Butterkonsum waren im Durchschnitt übergewichtiger, körperlich inaktiver, ernährten sich insgesamt ungesünder (gemessen am AHEI) und rauchten häufiger.
Personen mit hohem Pflanzenölkonsum lebten insgesamt gesünder: Sie trieben mehr Sport, rauchten seltener, aßen mehr Ballaststoffe und Gemüse.
Mit anderen Worten: Butter war in dieser Studie ein Marker für einen insgesamt ungesünderen Lebensstil, nicht zwingend ein eigenständiger Risikofaktor.
Der Trugschluss: Einzelne Lebensmittel zu Schuldigen zu machen
Die zentrale Schwäche vieler Ernährungsempfehlungen liegt darin, dass sie isolierte Nahrungsmittel bewerten, ohne den Kontext zu betrachten. Ernährung ist jedoch kein Laborexperiment, sondern eingebettet in Lebensstile, Gewohnheiten, soziales Umfeld und Bewegung.
Wer Butter in Maßen im Rahmen einer vollwertigen Ernährung konsumiert, sich regelmäßig bewegt, wenig Zucker und Fertigprodukte isst und nicht raucht, hat ein anderes Risikoprofil als jemand, der Butter in einem insgesamt ungünstigen Ernährungsmuster konsumiert.
Die Studienautoren selbst weisen darauf hin, dass es sich nicht um eine reine „Butter-gegen-Öl“-Intervention handelte – sondern eher um unterschiedliche Ernährungsmuster.
Was sagen andere Studien?
Die Datenlage zeigt klar:
Hochwertige pflanzliche Öle – insbesondere Oliven- und Rapsöl – sind mit günstigeren Gesundheitsparametern assoziiert.
Industriell gehärtete Fette (Transfette) sind gesundheitlich eindeutig bedenklich.
Für Butter zeigen Metaanalysen tendenziell neutrale bis leicht negative Effekte – aber keine dramatischen Risiken.
Entscheidend ist: Diese Effekte sind dosisabhängig, kontextabhängig und in der Regel moderat.
Butter als Teil einer gesunden Ernährung?
Butter enthält:
fettlösliche Vitamine (A, D, K2)
mittelkettige Fettsäuren, die schnell verstoffwechselt werden
Buttersäure (Butyrat), die möglicherweise entzündungshemmend wirkt
Zwar enthält Butter gesättigte Fettsäuren, die das LDL-Cholesterin erhöhen können – aber nicht automatisch das Risiko für Herzinfarkt, wenn die Gesamtbilanz der Ernährung stimmt.
In der mediterranen Ernährung – weltweit eines der am besten untersuchten Ernährungsmuster – spielt Olivenöl zwar die Hauptrolle, aber auch kleine Mengen Butter oder Käse sind üblich. Es ist der Mix, der zählt.
Was wir aus der Studie wirklich lernen können
Statt Aussagen wie „Butter ist schlecht“ oder „Pflanzenöl ist gesund“ zu treffen, sollten wir differenzieren:
Pflanzenöle mit hohem Anteil ungesättigter Fettsäuren (Olivenöl, Rapsöl) haben in vielen Studien günstige Wirkungen – besonders, wenn sie hochverarbeiteten Fetten oder stark zuckerreichen Lebensmitteln gegenüberstehen.
Butter ist kein „Superfood“ – aber auch kein Alleintäter. In Maßen genossen, ist sie in einem insgesamt gesunden Lebensstil unproblematisch.
Die größte Hebelwirkung auf unsere Gesundheit hat nicht ein einzelnes Fett, sondern der Lebensstil insgesamt: Ernährung, Bewegung, Stressregulation, Schlaf, soziales Umfeld.
Fazit
Die Aussage „Früher sterben mit Butter“ ist ein Beispiel dafür, wie komplexe wissenschaftliche Daten auf eine emotionalisierte, plakative Botschaft reduziert werden können – und dabei wesentliche Zusammenhänge verloren gehen.
Statt einzelne Lebensmittel zu verteufeln oder zu idealisieren, sollten wir uns fragen:Wie sieht mein Lebensstil im Ganzen aus?Wie bewusst esse ich?Wie viel bewege ich mich?Wie stark sind meine Routinen von verarbeiteten Produkten, Zucker und Inaktivität geprägt?
Butter ist nicht das Problem. Unser Umgang mit ihr – und allem anderen – ist es.
Literaturhinweise:
JAMA Intern Med. 2025. Butter and Plant-Based Oils Intake and Mortality
Zhang, Y. & Pan, A. (2023). Cooking oil/fat consumption and mortality. BMJ
Pimpin, L. et al. (2016). Butter consumption and risk of cardiovascular disease. BMJ
Estruch, R. et al. (2013). PREDIMED Study. New England Journal of Medicine
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